Meiderich EINS
Artikel aus WAZ vom 4. Mai 2018
MEIDERICH. Monika Reimann zeigt in der Kulturwerkstatt Foto-Kunst, die Realität und Fantasie verschmelzt.
Dass Meiderich nicht nur der Ort, sondern auch das Thema ihrer ersten Einzelausstellung in der Meidericher Kulturwerkstatt werden würde, das war der Fotokünstlerin Monika Reimann nicht von Anfang an klar. Sie hat andere Städte abgelichtet, hätte Bilder zeigen können, die in Venedig entstanden sind oder vielleicht welche aus New York?
Dann kam sie zum Vorgespräch, streifte mit der Kamera durch die nähere Umgebung der alten Hinterhofschmiede und machte die Bilder, die jetzt unter dem Titel „Meiderich Eins“ einen Monat lang in der Kulturwerkstatt zu sehen sein werden.
Automatik wird abgeschaltet
„Heute kann ja praktisch jeder dank toller Technik beliebig viele gestochen scharfe Fotos produzieren“, sagt Reimann. Sie macht das privat auch ab und an, einfach mit dem Handy drauf los knipsen, aber ihre künstlerischen Bilder entstehen auf eine ganz gegensätzliche Weise.
„Ich schalte die Automatik aus“, sagt sie doppeldeutig. An der Kamera ist das schnell gemacht, aber bis sie den entsprechenden Schalter in den eigenen Sehgewohnheiten auf „manuell“ umgestellt hat, dauert es etwas länger. Sie deutet auf ein Bild aus der U-Bahnstation „Auf dem Damm“.
Der geschwungene Treppenaufgang hat sich aufgelöst in eine Komposition aus leuchtenden Rechtecken. Alle gekachelte Nüchternheit des abgebildeten Zweckbaus ist verschwunden, die geschwungene Treppe besteht fast nur noch aus feierlichem Licht.
Spät ins Studium eingestiegen
„Bevor ich intuitiv die Kamera hebe, sitze ich vielleicht eine Stunde nur auf einer Bank am Gleis und beobachte einfach die Umgebung“, sagt Reimann. Die so entstandenen Bilder verzichten auf Konturen und bestehen fast nur aus Farbe, Licht und Bewegung. „Jeder sieht darin etwas anderes“, sagt sie und freut sich darüber.
Künstlerische Fotos macht sie schon viele Jahre, aber irgendwann hörte sie davon, dass der Modeschöpfer Karl Lagerfeld mit 59 Jahren noch angefangen hatte, Fotografie zu studieren. Da meldete sich auch bei ihr ein Lebenstraum zurück. Und es machte Klick. Sie überwand sich, bewarb sich an der Hochschule für bildende Künste in Essen und – erntete ein Kopfschütteln.
Sohn spricht von „Spätwerk“
Aber nur auf ihre besorgte Frage, ob sie mit 57 Jahren nicht zu alt sei, für ein Kunststudium. Gleich mit ihrer ersten eingereichten Mappe wurde sie genommen. „Fängst du halt direkt mit deinem Spätwerk an“, hat ihr längst erwachsener Sohn zu ihr gesagt. Frühwerk, Spätwerk, wen juckt das schon?
Reimanns Fotos lassen ohnehin Grenzen verschwimmen und lösen Gegensätze auf. Was wichtig ist und was unwichtig, was früh ist und wo spät anfängt, das sieht am Ende jeder anders. Reimann hat Unterstützung in ihrer Familie, sie ist glücklich mit ihrem Werdegang und im Gegensatz zu Lagerfeld ist sie fest entschlossen, ihr Studium auch abzuschließen.